"Je größer die Mühe, die ich über Monate hinweg an dieses Vorhaben wandte, desto kläglicher dünkten mich die Ergebnisse und desto mehr ergriff mich, schon beim bloßen Öffnen der Konvolute und Umwenden der im Lauf der Zeit von mir beschriebenen ungezählten Blätter, ein Gefühl des Widerwillens und des Ekels, sagte Austerlitz. Und doch sei das Lesen und Schreiben immer seine liebste Beschäftigung gewesen. (...) Jetzt aber war mir das Schreiben so schwer geworden, daß ich oft einen ganzen Tag brauchte für einen einzigen Satz, und kaum daß ich einen solchen mit äußerster Anstrengung ausgesonnenen Satz niedergeschrieben hatte, zeigte sich die peinliche Unwahrheit meiner Konstruktionen und die Unangemessenheit sämtlicher von mir verwendeter Wörter. Wenn es mir dennoch durch eine Art Selbsttäuschung bisweilen gelang, mein Tagespensum als erfüllt anzusehen, dann starrten mir jeweils am nächsten Morgen, sowie ich den ersten Blick auf das Blatt warf, die schlimmsten Fehler, Ungereimtheiten und Entgleisungen entgegen" (W.G. Sebald: Austerlitz. München: Hanser 2001, S. 175 - 176).